Das gehört nicht ins Feuilleton
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Das gehört nicht ins Feuilleton

DIE ZEIT, Nr. 11/2016

Das gehört nicht ins Feuilleton

 

Jetzt mal ehrlich: Was wir wirklich lesen, hören, tun. Diese Woche: Wolf Alexander Hanisch, Autor

Monster-Metal-Shirts für die Nacht

Mein Kleiderschrank ist die Hölle. Oder besser gesagt: Es stapeln sich Höllenwesen in ihm. Jeden Abend vor dem Zubettgehen öffne ich seine Tür und mustere die Bestien, um mir dann eine zur Brust zu nehmen. Heute wieder Eddie, das zähnebleckende Zombiemonster und Maskottchen der Band Iron Maiden? Oder lieber Vic Rattlehead, den skelettierten Talisman von Megadeth? Die menschenfressenden Ghule von Slayer waren lange weggesperrt. Ich konnte sie meiner Tochter nicht zumuten. Doch mittlerweile ist sie alt genug für meine Marotte: Ich schlafe in Metal-Shirts.

Die bluttriefenden Bandlogos auf schwarzem Grund trage ich wie Ordensspangen fürs Durchhalten im akustischen Schützengraben. Denn das diabolische Gekreisch von Kapellen wie Napalm Death, Pestilence oder Pig Destroyer gefällt einem ja nicht auf Anhieb. Man muss den baumaschinenartigen Lärm schon ausdauernd hören, um jenen wunderbaren Aggressionsgenuss zu erreichen, der süchtig macht. Ich bin drangeblieben – und dadurch natürlich auch ein bisschen stolz auf meinen furchtlosen Musikgeschmack.

Dass außer mir vor allem 17-jährige Wacken-Fahrer mit fettigen Haaren in dieser apokalyptischen Merchandisingklamotte herumlaufen und Männer, die ihre Midlife-Crisis zu kaschieren versuchen – ich kann’s nicht ändern. Solange aber auch meine Bühnenhelden ihrer Rüstung aus dämonenbedruckter Baumwolle treu bleiben, mache ich es wie sie. Obwohl ich zu keiner exorzistischen Schlacht vor Tausenden Fans antreten muss, sondern mich nur in aller Stille unter die Decke kuschle. Womöglich ist es der brummende Nachhall des Endzeitgetöses, der mich so schön in den Schlaf wiegt.

 

Souvenir-Magnete für den Kühlschrank

Ich bin auf Reisen ganz gut herumgekommen und habe einiges aus der Welt mit nach Hause geschleppt. Das meiste davon steht allerdings nicht in Regalen, sondern drängt sich an einem einzigen Fleck: an der Tür, die zum kalten Bier führt. Sie ist übersät von Kühlschrankmagneten aus allen Erdteilen.

Wenn ich mir ein Pils hole, verharre ich immer wieder an der Tür und lasse den Blick über meine Schätze gleiten wie über einen Globus. Manche Magnete zeigen Dinge, die ich verpasst habe, etwa die vorbeitreibenden Eisberge in Neufundland, für die ich ein paar Wochen zu spät auf die Insel gekommen war. Andere bilden exakt ab, was ich vor Ort dachte: dass die Hallgríms-Kirche in Reykjavík wie eine Mondrakete samt Rampe in den Himmel ragt; dass Neuseeland rund um die murmelblauen Seen und hysterisch weiß beschneiten Berge bei Queenstown leuchtet wie die Paradiesfantasien der Zeugen Jehovas; oder dass es in Bangkok nichts Schöneres gibt, als in einem Tuktuk durch die heiße Nacht zu brausen.

Manchmal kommt meine Frau von einem Kurztrip zurück und pflanzt Prag oder Maastricht mitten ins Karibikensemble. Ich bin jedes Mal fassungslos. Ebenso gut könnte sie Shampooflaschen zwischen die Bücher stellen. In der Sammlung waltet ein geheimer, zunehmend neurotischer Plan.

Kühlschrankmagnete sind die Stocknägel unserer Zeit. Doch anders als die werden sie nie aussterben. Es sei denn, warmes Bier kommt in Mode. Aber dann wandere ich sowieso aus.

Wolf Alexander Hanisch mag auch Mittelgewichtsboxen, Martin Walser und Bottega Veneta pour Homme