Frühling: Lichtblicke
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Frühling: Lichtblicke

DIE ZEIT, Nr. 11/2018

Frühling: Lichtblicke

 

16 Orte zum Warmwerden, direkt um die Ecke

Drachenfels, bei Bonn

Drachenfels. Kann ein Wort düsterer dräuen? Verhängnisvoller, schattenhafter? Existiert er überhaupt, dieser Ort, an dem im Nibelungenlied Siegfried den Drachen tötet? Ja, es gibt ihn. So wie die Ausfahrt Siebengebirge auf der A 3. Die nimmt man und sitzt kurz darauf in einer Zahnradbahn. Seit 1883 führt sie auf den Berg mit seiner Burgruine hoch über dem Rhein.

Dass hier ausgedunkelte Winterseelen ein Rendezvous mit der Sonne haben können, glaubt zunächst keiner. Kahles, trauriges Geäst wischt über die Zugfenster. Draußen zieht die Weinstube „Bei Onkel Hakki“ vorbei, dann kriecht der Triebwagen zwischen Erdwällen bergan. Die nasse Kälte der vergangenen Monate hat sie in ein schmutziges Grünbraungrau verwandelt.

Es folgt ein steiler Wald, eine epische Rechtskurve – und plötzlich explodiert das Licht, als führe man in den Himmel auf. Der Blick wird weit, die Brust auch. Am Horizont die Hügel der Eifel im Sonnenglast. Tief drunten tanzen Dunstfetzen über den Ausläufern des Siebengebirges, gleißt der Rhein in seinem Tal wie Silberbesteck in einer aufgerissenen Schublade. Nach der Ankunft nimmt man fast Haltung an. Steht über der Welt und wird das Gefühl nicht los, Caspar David Friedrich male einen gerade von hinten.

Das Restaurant auf dem Gipfelplateau war lange Inbegriff deutscher „Draußen nur Kännchen“-Spießigkeit. Doch seit hier renoviert wurde, hat lichter Stil den Kaffeefahrt-Muff vertrieben. Im Glaskubus des Restaurants holt man sich einen Riesling von den Weinbergen ringsum. Setzt sich auf die schon warme Mauer vor der Abbruchkante. Trinkt und seufzt und hält sein Gesicht in die Sonne. Ab jetzt wird alles gut.