Düsseldorf: Five points
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Düsseldorf: Five points

DIE ZEIT, Nr. 20/2011

Düsseldorf: Five points

 

Die Stadt des Eurovision Song Contest hat ein bisschen Applaus verdient.

Das Altbier – Bernsteinfarben glimmende Gläser, beschwingt auf die Tische gehämmert

Am Anfang war das Bier. Evolutionsbiologen wollen nämlich entdeckt haben, dass es den Menschen nicht nach Brot verlangte, als er die ersten Äcker anlegte, sondern nach dem Rausch aus vergorener Gerste. Düsseldorfer glauben das sofort. Warum sollte das Gebräu nicht der Ursprung der Zivilisation sein, wenn doch klar ist, dass ihr Altbier deren Gipfel markiert?

Kein Düsseldorfer Overstatement leuchtet mehr ein. Nicht, wenn man in der Hausbrauerei Uerige ist und sich fühlt, als habe einen die Altstadt verschluckt. Im Dämmerlicht winden sich Gänge wie Bergwerksstollen durch einen Trakt aus neun Schankräumen. Darin zechen hornbebrillte Werber mit Rentnern in Popelin-Blousons, Banker mit Hausfrauen und Japanern. Die Kellner heißen Köbesse und tragen Falstaff-Wampen unter pflaumenblauen Schürzen. Mit stoischem Schwung hämmern sie unaufgefordert auf die Tische, was den Mikrokosmos zusammenhält: das Altbier. Bernsteinfarben glimmt es im kurzen Glas. Man erschnuppert den Duft von Röst- und Karamellmalz, setzt an, spürt beim Trinken, wie der bittere Doldenhopfen zärtlich in den Gaumen beißt, und sinnt dem leichten Rauchgeschmack nach, mit dem sich das Alt verabschiedet. Es dauert nicht lange, und der Bierdeckel ist schwarz von Strichen. Wer nicht mehr kann, legt ihn schützend auf sein leeres Glas – die Köbesse kennen sonst kein Erbarmen.

Im Uerige strömt das Altbier aus Fässern, die so wirken, als seien sie aus dem Mittelalter ins 21. Jahrhundert gerollt. So ist es hier fast überall: Mehr als die Hälfte ihres Ausstoßes füllen die Düsseldorfer Brauereien in Fässer ab. Nur in ihnen fühlt sich das Obergärige wohl. Dennoch sieht man auf der Rheinpromenade Touristen mit Flaschen hantieren. Ein Frevel! Da hilft nur die Flucht ins Kneipengewimmel der Ratinger Straße, wo vor 30 Jahren die New-Wave-Szene Musikgeschichte schrieb und deren Epigonen im Freien picheln. Natürlich im Stehen. Bräsiges Bierbankhocken ist nichts für Düsseldorfer. Hier wippt man beim Trinken auf den Fußballen. Das hält frisch und zögert den Absacker hinaus.

Den lautesten gönnt man sich im Engel in der Bolkerstraße, wo die Altstadt zur Kirmes verkommt. Doch der Hardrock-Schuppen hält dagegen. Seine Gäste sehen aus wie die zottelige Band von Alex Harvey, der hier in den siebziger Jahren Konzerte gab, als der Laden noch Weißer Bär hieß. Per Aufzug kommen die Bierfässer aus dem Keller, dann prügeln ihnen tätowierte Männer den Zapfhahn hinein. Zu Gitarrenriffs von Motörhead tanzen Frauen in Leder. Ist man wirklich in Düsseldorf, dem Geck unter den deutschen Großstädten? Aber sicher. Man ahnte es doch schon beim ersten herben Schluck: Wer so ein Bier hat, kann auch anders.