Von der Kunst, ein Kerl zu sein
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Von der Kunst, ein Kerl zu sein

Lebensart, 2017

Von der Kunst, ein Kerl zu sein

 

Steht es einem Mann gut zu Gesicht, über sein Aussehen und seine Ausstrahlung nachzudenken? Oder macht er sich damit lächerlich? Diese Frage ist schnell beantwortet. Man muss nur auf einen hören, an dessen Männlichkeit zu zweifeln absurd wäre: John Wayne. „Ein Mann ohne Eitelkeit ist kein Mann“, bekannte die vielleicht virilste Ikone der Filmgeschichte, deren Kinn bei jedem Gewaltritt immer frisch rasiert war und deren Halstuch auch im Hagel von Apachenpfeilen stets mustergültig saß. Waynes Satz klingt so apodiktisch und trocken wie der Schuss aus einer doppelläufigen Winchester. Doch ist er auch zeitlos gültig?

Eher nicht, wie ein Blick auf die Geschichte belegt. Die Passion von Männern für ihre Attraktivität unterliegt nämlich einem ständigen Auf und Ab. Einst waren sie das schöne Geschlecht, trugen rauschende Kleider, pudrigen Teint und dramatische Perücken. Vor allem am Hof von Versailles ging ohne Prunkdemonstration nichts. Dann kam die Französische Revolution, schlug die edlen Köpfe ab und setzte einen neuen Standard: Ein Mann, der jetzt etwas gelten wollte, arbeitete, machte sich nützlich, brachte Dinge voran. Der Perückenschönling wurde zum Schmarotzer, für Dekorationen aller Art sollten die Frauen zuständig sein.

Schön erfolgreich

Von diesem Zeitpunkt an gab über 200 Jahre lang das Ideal des funktionalen Mannes den Ton an – von den Pariser Sansculottes in ihren Schlaghosen über die Weltkriegssoldaten im Drillich bis zum Camelmann, der sich mit Loch im Schuh durch den Dschungel kämpfte. Doch plötzlich tauchten in den vergangenen Neunzigern Supermodels wie Marcus Schenkenberg oder Mark Vanderloo auf, und jeder begriff, was Jahrzehnte zuvor nur John Wayne und ein paar andere zu wissen schienen: Auch ein Mann sollte etwas hermachen wollen.

Aber behaupten nicht Frauen häufig, auf schöne Männer verzichten zu können? Klar, tun sie. Aber weniger, weil es so ist. Sondern weil immer noch manche Männer solche Bekenntnisse hören wollen – Männer, die es sich mit Euphemismen à la „Waschbärbauch statt Waschbrettbauch“ bequem machen. Dabei bleiben auch ihnen die Vorteile männlicher Schönheit nicht verborgen. Gut aussehende Männer gelten als vertrauenswürdiger, bekommen vor Gericht mildere Urteile, werden als intelligenter eingeschätzt und verdienen im Schnitt 15 Prozent mehr. In puncto Karriere spielt das männliche Aussehen sogar eine besonders große Rolle: Je höher sie in der Hierarchie aufsteigen, desto wichtiger wird ihre Erscheinung. Bei Frauen ist es umgekehrt, fand der Soziologe Otto Penz heraus.

Natürlich begeistert diese Entwicklung nicht alle Männer. Aber immer mehr. Das zeigt schon die Zahl männlicher Schönheitsoperationen, die sich in den vergangenen 25 Jahren verdreifacht hat. Doch auch Kosmetikprodukte straffen zunehmend die Haut von Männern. Allerdings unter der Voraussetzung, dass sie auf deren Bedürfnisse abgestimmt sind. Unterschiede zum weiblichen Teint – beispielsweise beim PH-Wert – existieren nämlich durchaus. Infolgedessen richtet sich mittlerweile jeder fünfte Kosmetikartikel an das starke Geschlecht, das zunehmend auch ein schönes sein will.

Mut zum Auftritt

Wie komplex dieses Unterfangen sein kann, wissen alle, die eine Nase haben für die Beautywelt jenseits visueller Reize: Parfüms sind längst auch ein Männerthema. Doch was ist der Maßstab für die Wahl eines Duftes? Es ist seine Individualität. Und die kulminiert derzeit im olfaktorischen Statussymbol so genannter Nischenparfüms, die sich dem Marketingdiktat großer Konzerne entziehen. Subtil und gleichzeitig intensiv schlagen sie Mitmenschen in ihren Bann. Dabei wollen sie nicht jedem gefallen, sondern Akzente setzen – und überfordern mit diesem urmännlichen Anspruch zuweilen hierzulande.

Männer anderer Nationen scheinen es dagegen mehr zu genießen, aus der Rolle zu fallen. Auch was die Kleidung betrifft. Man denke nur an einen Banker in London, der einen Nadelstreifenanzug aus der Savile Row mit roten Hosenträgern und grünen Strümpfen kombiniert. Und sehe sich dann in Frankfurt um. Aber die Deutschen holen auf: Durch die allgemeine „Casualisierung“ steige auch wieder die Lust am aparten Auftritt, stellen viele Einzelhändler fest.

Fitnessclubs indes haben gerade hier Konjunktur. Was Männern nicht nur dank definierter Muskeln zu einem guten Aussehen verhilft. Sport bringt außerdem mehr Sauerstoff in die Zellen und verbessert so das Hautbild. Darüber hinaus gilt: Je dicker der Bauch, desto niedriger der Testosteronspiegel. Und der ist auch beim Sprung in einen anderen Jungbrunnen hilfreich. Laut einer Studie der Universität Edinburgh wirkt um vier Jahre jünger, wer dreimal pro Woche Sex hat. Eins darf dabei als sicher gelten: Ein gesundes Maß an Eitelkeit und Sinn für eine kultivierte Erscheinung verbessert nicht nur die Aussicht auf eine strahlende Karriere, ein gutes Gehalt und hohe Beliebtheitswerte. Es führt in der Regel auch ziemlich zuverlässig zu diesem vergnüglichsten aller Lebenselixiere.