Ekstase im Regenwald
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Ekstase im Regenwald

DIE ZEIT, Nr. 20/2005

Ekstase im Regenwald

 

Boi-Bumbá ist die größte Party im Norden Brasiliens. Drei Tage lang wird in der kleinen Amazonasstadt Parintins eine Dschungeloper aufgeführt. Zur Einstimmung gibt es Zuckerrohrschnaps und Marihuana

Dona Cristina hat ihre besten Tage hinter sich. Ihre Lackhaut ist übersät mit Rissen, ihr Gruß nur noch ein Krächzen. Stöhnend dümpelt sie im Hafen von Manaus und hebt und senkt ihre schwere Brust im Takt der Wellen, während ihr Paulo und Eurico Zöpfe aus roten und blauen Bändern flechten. Sie sind nicht das einzige Dekor. An Dona Cristinas Hüften rauschen bereits Girlanden, große Plastikherzen zieren ihre Stirn, ringsum flattern lustige Fahnen im klebrigen Amazonaswind. Und alle sind sie rot oder blau. Dona Cristina sieht aus wie eine in die Jahre gekommene Dame, die sich für einen Kindergeburtstag verkleidet hat. Und so ähnlich ist es auch. Ihr Mummenschanz gilt der größten Party weit und breit im Norden Brasiliens. Morgen wird sie aufbrechen. 420 Kilometer flussabwärts zum Amazonas-Archipel Tupinambarana. Tausende von Tänzern werden dort sein und noch viel mehr Zuschauer und ein Dutzend Kamerateams aus dem ganzen Land. Da packt auch alte Flussfähren wie Dona Cristina die Eitelkeit.

Ob das Schiff nicht längst zu voll sei, fragt ängstlich ein Passagier

Vom Pier aus werfen Paulo und Eurico für heute einen letzten Blick auf ihr Schiff. Fast sieht es aus, als zwinkere es kokett zurück, als habe es vor lauter Flitter ganz vergessen, dass es nur eins der vielen schwimmenden Arbeitspferde ist, die in der Landschaft Amazoniens ihren Dienst tun. In den Adern des Gebiets mit der Ausdehnung halb Australiens fließt ein Fünftel des gesamten Süßwasservorkommens der Erde. Straßen gibt es kaum, alles, was zu befördern ist, transportieren dreistöckige Holzbarken wie Dona Cristina. Bananenstauden und Manioksäcke, Hausrat und Kleinvieh, Händler, Dirnen, Schulkinder. Morgen aber werden es unzählige Partymenschen sein. Auch an Bord ihres Schiffs, Paulo und Eurico sind ganz sicher. Zufrieden nicken sie sich zu. Ihr Gefährt hält der ebenfalls herausgeputzten Konkurrenz stand und wird den beiden in den kommenden Tagen ein Vielfaches ihrer üblichen Einnahmen bescheren. Kurz darauf verschwindet das Kapitänsduo im Gewühl des Hafenviertels. Die Brüder wollen heute früh zu Bett. Sie wissen, dass sie in der nächsten Zeit kaum zum Schlafen kommen werden.

Die Tage um das letzte Wochenende im Juni sind die Tage des Boi-Bumbá. Das Spektakel ist nach dem Karneval von Rio de Janeiro das bedeutendste Fest Brasiliens. Jedes Jahr findet es in Parintins statt, einer Stadt auf einer Amazonasinsel inmitten des größten Regenwalds der Welt. Knapp zwei Tage lang ist man ab Manaus mit dem Schiff dorthin unterwegs. 150000 Besucher fallen in dieser Zeit über die Dschungeleinöde her, mehr als doppelt so viele, wie der Archipel Einwohner hat. Schon Monate zuvor trainieren die Tänzer und Fans in den Freiluftdiskotheken und im Sambódromo von Manaus Nacht für Nacht wie besessen ihre Schritte und Figuren. Auch in den Favelas erschallt dann der Trommeldonner, tanzen die Menschen vor ihren Pfahlhütten am Rande der igarapés, jener ungezählten Seitenarme des großen Flusses, mit denen er schwarz und schmatzend in die Stadt hineingreift.

Der Strom der Partypilger auf die Dona Cristina nimmt kein Ende. Ob das Schiff seine Kapazität nicht längst überschritten habe, fragt ängstlich einer der Passagiere. Der Mann mit dem blonden Ziegenbart wirkt ernsthaft besorgt. Eurico aber strahlt über das ganze Gesicht. „Falou!“, schreit er, „du sagst es“, füttert seine Hosentasche mit einem neuen Geldscheinbündel und verschwindet im Gewoge der Hängematten auf dem Zwischendeck. Kurz darauf löst sich die Dona Cristina von ihrem Kai. Paulo steht auf der Brücke und bearbeitet das Steuerrad, als ringe er mit einem Alligator. Es ist nicht einfach, das schaukelnde Schiff in Fahrtrichtung zu zwingen. Boote in allen Größen verlassen jetzt den Hafen. In seiner Mitte thront der Mercado Municipal wie eine Kolonie eiserner Greifvögel mit grünspanverkrusteten Schwingen. In den Markthallen im Fin-de-Siècle-Stil kann man beinlange Welse kaufen, grelle Früchte, Indianerfetische und ein Sammelsurium an Stärkungspulvern aus dem Urwald. Eine der Mixturen heißt Viagra Regional. Sie findet heute reißenden Absatz.

Langsam gleitet die Dona Cristina an Manaus vorbei, jenem 1,5-Millionen-Kaff, das nur aus der Luft und über den Fluss zu versorgen ist. Wie ein Kieselstein in einem heißen Sumpf dampft es drei Breitengrade südlich des Äquators im grünen Universum des Regenwalds. Inmitten des Häusermeers blinkt die gigantische Kuppel des Teatro Amazonas in der Sonne. Das Opernhaus ist das einzige Kulturerbe des Kautschukbooms, der das Urwaldnest Mitte des 19. Jahrhunderts über Nacht in die reichste Stadt Brasiliens verwandelt hatte. Der Prachtbau spiegelt die groteske Maßlosigkeit der Gummibarone, die zu jener Zeit den weltweit höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Diamanten hatten, ihre Hemden zum Stärken nach Lissabon schickten und ihre Markthalle bei Gustave Eiffel in Auftrag gaben. Nach fünfzig Jahren brach ihr Monopol zusammen. Ein Engländer schmuggelte Kautschuksamen außer Landes, und schon 1912 hatten die britischen Plantagen in Asien Manaus vom Weltmarkt verdrängt. Die Ausbeuter flohen, ihre Villen verrotteten, zwei Millionen Gummizapfer schlugen sich in Laubhütten als Fischer, Jäger und Sammler durch. Erst als die Stadt 1967 zur Freihandelszone erklärt wurde, endete ihr Verfall, kamen viele Enkel des Gummiproletariats zurück. Heute schrauben sie in den Fabriken der von Steuer- und Zollbefreiungen angelockten Firmen Fernseher und Autoradios zusammen. Für viele von ihnen reicht es dennoch nur zum Leben in einer Bretterkate. Und besser wird es nicht. Die Subventionen und Vergünstigungen, ohne die Manaus nicht existieren kann, fallen immer spärlicher aus. Er kenne viele, die der Stadt in jüngster Zeit den Rücken kehren, um ihr Glück wieder an den Flussläufen zu suchen, sagt Eurico.

Rosivaldo ist Missionar. Im Trubel reckt er die Hände zum Himmel

Ein Stück hinter Manaus erreicht die Dona Cristina die encontro das aguas, die Vereinigung von Rio Negro und Rio Solimões. Erst nach ihrem Zusammenfluss erlaubt der Atlas offiziell die Bezeichnung Amazonas. Der wasserreichste Fluss der Erde ist hier so breit, dass man kaum von einem Ufer zum anderen sehen kann. Später geht die Fahrt durch einen seiner abertausend Seitenarme. Als wäre man von einer eintönigen Autobahn in einen verwunschenen Waldweg abgebogen, lodert dann neben dem Boot ein Dschungel wie aus dem Skizzenbuch des Amazonasforschers Alexander von Humboldt. Wolken von Papageien stieben aus dem lebensprallen, sich unablässig selbst umarmenden Grün, Eisvögel schießen über das Wasser, Brüllaffen turnen im Geäst. Und alle Stämme der Giganten mit ihren tennisplatzgroßen Kronen sind von Farnen, Orchideen und Bromelien überwuchert, als sei es im Urwald anstößig, nackte Baumrinde zu zeigen.

Doch für die Natur und ihr Schauspiel hat heute niemand ein Auge auf der Dona Cristina. Zuckerrohrschnaps und Marihuana machen die Runde, in der Luft stampfen die Rhythmen der Sertaneja-Musik von Parintins. Halb nackte Menschen tanzen in der triefenden Hitze, trinken Bier oder amüsieren sich miteinander in ihren Hängematten. Und irgendwo auf dem Oberdeck steht Rosivaldo. Klein ist er, schmächtig und durchdrungen von einem milden Ernst. Als Einziger trägt er eine lange Hose und ein Hemd mit scharfen Bügelfalten. Unter dem Arm hält er eine Bibel. Der Mann ist Missionar und reist im Auftrag einer der zahllosen evangelischen Freikirchen, die auch in den hintersten Winkeln des einst erzkatholischen Landes immer mehr Brasilianer in ihre spirituellen Untiefen locken. Fast jeder vierte Bürger des 170-Millionen-Volks gehört bereits einer Sekte an. Sogar im Trubel auf der Dona Cristina trifft Rosivaldo Glaubensgenossen. So wie jetzt, als zwei junge Burschen plötzlich ihre Bierbüchsen leeren, sich bekreuzigen und gemeinsam mit dem Prediger die Hände zum Himmel recken. Nur ein paar Schritte entfernt lassen die tropischen Tanzmariechen ihre Becken kreisen, als gäbe es nichts Selbstverständlicheres als das Nebeneinander von Orgie und Andacht.

Mehr als zwanzig Stunden dauert der Rummel, dann läuft die Dona Cristina in den Hafen von Parintins ein. Rund 300 Fähren, Kreuzfahrtschiffe, Einbäume, Yachten und schwimmende Sektenkirchen drängen sich vor den schimmelbesprenkelten Häuserzeilen der Stadt. Wo sonst Fischer und Rinderzüchter den Weltenlauf verschlafen, herrscht nun volltrunkenes Treiben in den Farben Rot und Blau, wohin man blickt. Jede Fassade, jede Spelunke trägt sie, und auch die staatliche Gesundheitsbehörde wirbt auf rot-blauen Plakaten für den Gebrauch von Kondomen. „Das ist wichtig, damit du keine Kunden verlierst“, kommentieren Paulo und Eurico in das Musikgewitter hinein. Dabei sind sie eigentlich Anhänger der „Roten“. Die Farbe markiert in den Tagen des Boi-Bumbá die Partei der „Siegesgewissen“ und ist vor allem der Stolz der unteren Schichten, der Lebenskünstler und Favelabewohner, der Indianer und Caboclos, wie die brasilianischen Mestizen aus den Wäldern genannt werden. In jeder der kommenden drei Nächte werden sie sich in einem riesigen Showkampf mit den Blauen messen. Die wiederum nennen sich die „Launenhaften“ und haben ihre Freunde eher unter den Plantagenbesitzern und den betuchteren Angestellten der Elektrokonzerne von Manaus.

Ihr Wettstreit folgt einem simplen Handlungsrahmen: Die schwangere Mae Catirina hat Heißhunger auf Ochsenzunge, worauf ihr Mann Francisco den besten Bullen des Patrons tötet. Die Zunge wird gesotten und verspeist, doch Francisco soll mit seinem Leben dafür bezahlen. Am Ende wird ein Priester gerufen, er segnet den toten Bullen und macht ihn wieder lebendig. Vor gut 100 Jahren brachten Kautschukzapfer von den Viehweiden des dürren Nordostens das Volksstück mit in den Dschungel. Seitdem kämpfen jedes Jahr zwei Parteien um die beste Präsentation des Schwanks. Insgesamt sechsmal wird der Mythos erzählt. Die schönsten Tänzerinnen, die großartigsten Kostüme, die kraftvollsten Trommler und der Enthusiasmus der Anhänger werden darüber entscheiden, welchem der beiden Ochsen die Auferstehung zuteil wird.

Es ist Mitternacht im Bumbódromo, dem eigens für die Show errichteten Amphitheater von Parintins. 35000 Körper schwitzen dicht an dicht. Drei Stunden lang haben Musikgruppen auf die Wartenden eingetrommelt, dann marschieren Heerscharen von Termiten, Spinnen und Ameisen in die Arena. Es sind die als Ekeltiere kostümierten Roten. Dazu kreischt ein ohrenbetäubendes Heuschreckenschrillen aus zehntausend Trillerpfeifen der ganz in Rot gekleideten Fans der Siegesgewissen. Gegenüber ihrer Kurve aber: gespenstische Stille auf den Rängen. Keine Hand rührt sich, keine Stimme ruft. Die Launenhaften müssen schweigen, sonst drohen ihnen Punktabzüge. Später werden auch sie die 4000 Tänzer der Ihren anfeuern, und die Roten werden verstummen. Dann nimmt die Ekstase ihren Lauf. Haushohe Fabelwesen aus Pappmaché drängen auf die Bühne. Delfine in Schiffsgröße bäumen sich auf, und vor Farben explodierende Flussnymphen defilieren vorüber. Hunderte von federnumwölkten Ballerinas drehen sich im Schein detonierender Feuerwerkskörper, Sänger, Trommler und Tänzer bewegen sich wie im Rausch. Und irgendwann stürmt Garantido, der Bulle der Roten und Gegenspieler des blauen Caprichoso, auf die Bühne. Es ist der Höhepunkt eines orgiastischen Deliriums. Man kann nicht glauben, dass es sich in den folgenden Nächten noch zwei Mal wiederholen wird. Aber genau so kommt es.

Jahr für Jahr ist Boi-Bumbá immer monströser geworden. Und jedes Jahr gibt es neue Drehbücher, neue Choreografien und neue Lieder, die extra für das Spektakel komponiert werden. „Bayreuth des Amazonas“ nannte die Tageszeitung A Critica einmal die Dschungeloper. Doch in Wahrheit handelt es sich längst um eine perfekte Show à la Las Vegas. Hin und wieder werden sogar amerikanische Event-Regisseure engagiert, die sonst Rockstars oder Disneyland zu Diensten sind. Viele Unternehmen der Freihandelszone Manaus treten als Sponsoren auf und pumpen Millionen Euro in das Fest. Der größte Geldgeber ist die Coca-Cola Company, die in der Provinzhauptstadt das Konzentrat für ihre Limonaden produzieren lässt. Eine Loge im Stadion kostet mittlerweile mehr als 10000 Euro. Allerdings finden in ihr bis zu 200 Personen Platz.

So kommerziell die Party am Amazonas sich mittlerweile geben mag – die wochenlange Herstellung der Puppen ist eine bizarre Manufaktur geblieben. Und ein tropischer Albtraum für jeden Arbeitsmediziner. Die Werkstätten von Grantido liegen in einer aufgegebenen Jutefabrik am Flussufer. Wer sie betritt, wähnt sich inmitten der Requisiten eines Stummfilms von Fritz Lang. Hunderte von Arbeitern schleppen kürbisgroße Augäpfel, zottelige Monsterpranken und riesige Reißzähne durch die Fabrikruine. Die Entwürfe für ihre Kreationen haben sie in den Zementboden gekratzt. Aus dem Wirrwarr der Kabel und Gerüste ragen saurierhaft die Eisenskelette der Figuren empor. Auf ihrer Spitze, in 20 Meter Höhe, balancieren Männer und schweißen Köpfe, Arme oder Flügel an die Wesen. Schutzmasken gibt es nicht, manche haben sich halbierte Kokosnussschalen mit Sehschlitzen vor die Gesichter gebunden. Funken wirbeln durch die Luft, Hammerschläge krachen, überall kratzt ein infernalischer Gestank von Leim und Farbe in den Bronchien. Gegen ihn ziehen Jungen mit Kannen voller heißer Milch zu Felde. Die Direktion glaubt fest daran, dass der Trunk die Schwindelanfälle lindert.

Nie werden in Parintins mehr Kinder geboren als neun Monate nach Boi-Bumbá

In der dritten Nacht treibt die Stimmung im Bumbódromo ihrem Siedepunkt entgegen. „Viva o boi!“– „Es lebe der Ochse!“ – so dröhnt der Ruf aus den Kehlen Zehntausender. Er gilt nicht zuletzt den Ohren der sechsköpfigen Jury. Die Schiedsrichter sind Kunstkritiker und Theaterexperten aus Rio de Janeiro oder São Paulo, und wie immer werden sie auch dieses Mal Parintins verlassen haben, bevor die Stimmen ausgezählt sind. Ihre Voten deponieren sie in Urnen, die man bis zur Verkündung des Urteils in der Kaserne der Policia Militar aufbewahrt. Dort stehen sie auf dem Schreibtisch des Kommandanten. Sicher ist sicher.

Die Entscheidung war knapp, aber sie steht fest. Caprichoso lebt, die Blauen haben gewonnen. Böller und Kirchenglocken begleiten ihren Triumphzug ins Zentrum. Unter den wassergrau schäumenden Wolkenkissen des anbrechenden Tages lärmt das blaue Glück. Die Verlierer indes sind mit anderem beschäftigt. Vor dem Stadion zerfleischen sie die mythischen Giganten, denen sie eben noch zujubelten. Sie kriechen in ihre Bäuche, brechen ihre Drahtknochen, reißen an ihren Häuten. Aus den Pappen werden sie Hüttenwände machen, aus den Stoffen Vorhänge, und auf den matratzengroßen Drachenzungen werden ihre Kinder schlafen. Boi-Bumbá endet als Schlachtfest der Bedürftigen.

Als eins der letzten Schiffe gleitet die Dona Cristina hinaus in die Dämmerung über dem Amazonas. Väterlich tuckert der Dieselmotor, ab und zu prustet ein Delfin, sonst umfängt Stille das Boot. Endlich. Mit dem Lichtfinger des Scheinwerfers stochert Eurico in der anbrechenden Dunkelheit. Paulo steht wieder auf der Brücke. Der linke Arm ruht auf dem Steuerrad, der rechte umfängt die Hüfte einer milchkaffeebraunen Schönheit. Sie ist eine der vielen Eroberungen der vergangenen Nächte. Gerade hat ihr Paulo die Geschichte vom Flussdelfin erzählt. Sie kennt sie längst. Bei Vollmond, so will es die Legende, verwandelt sich das Tier in einen wunderschönen Galan und beglückt die Frauen. Bis heute gilt der rosafarbene Bewohner des Amazonas als Vater der unehelichen Kinder. Und nie werden in Manaus und Parintins mehr von ihnen geboren als neun Monate nach Boi-Bumbá. Auch das wissen hier alle. Im Gesicht der Schönen glimmt ein entrücktes Lächeln, als am Horizont Blitze in die Wolkengebirge fahren und sie von innen erleuchten wie gigantische Lampions. Es sieht aus, als feiere der Regenwald einen Kindergeburtstag.