Bahamas in der Rostklasse
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Bahamas in der Rostklasse

DIE ZEIT, Nr. 1/2015

Bahamas in der Rostklasse

 

Wer die Inselgruppe an Bord von Postschiffen erobert, kommt zwar nur langsam voran, trifft aber die richtigen Leute. Eine Rundreise mit viel Seegang, Bier und Krepppapier

Der Kapitän tritt auf als Spaßbefehl. Anders ist die Micky Maus in ihrem zeltgroßen Schiffsführerkostüm nicht zu deuten. Gespielt von einem Animateur, steht sie seit einer Stunde vor dem Kreuzfahrtschiff Disney Dream und winkt und winkt und winkt. Die ausrückende Touristenschar will einfach kein Ende nehmen. Nicht weit vom Pier entfernt mischt sie sich unter die Passagiere der Freedom of the Seas. Die zählt ebenso zu den größten Kreuzfahrtschiffen der Welt wie zwei weitere, die gerade in Nassau vor Anker liegen. Mehr als 4.000 Gäste kommen jeweils auf ihnen unter. Was mag hier erst los sein, wenn alle sieben Plätze im Kreuzfahrthafen belegt sind und noch mehr Menschen das kleine Zentrum der Bahamas-Hauptstadt fluten? Aber wahrscheinlich wäre das halb so schlimm. Denn wenn ein Ort für diese Klientel gerüstet ist, dann Nassaus Barbiepuppen-niedliche City mit ihren falschen Piraten und echten Cartier-Läden, mit ihren Steeldrum-Bands und Souvenirmärkten.

Gut fünf Millionen Menschen besuchen pro Jahr das in 3.100 Eilande und Cays zersplitterte Inselreich, dessen Ausdehnung zwei Dritteln Deutschlands entspricht. Wer von ihnen nicht mit dem Schiff kommt, wohnt meist in kaum weniger größenwahnsinnigen Resorts. Fast alle liegen auf den beiden Hauptinseln New Providence und Grand Bahama. Eine Reise hierher ist darum mehr geografische Körperverlagerung als Aufbruch in die Fremde. Doch auch die soll es geben: auf dem großen Rest der Out Islands, die sich die wahren Bahamas nennen. Viele von ihnen erreicht man per Flugzeug. Aber das ist mir nicht rustikal genug. Ich will sie mit Postschiffen bereisen, die früher deren einzige Verbindung zur Außenwelt waren. 15 solcher Boote existieren noch. Ein- bis zweimal in der Woche rücken sie auf festen Routen aus und nehmen neben Fracht auch Passagiere mit. Für die gibt es, weil viele Fahrten über Nacht gehen, sogar Kabinen.

Der Heimathafen der Postschiffe ist Potter’s Cay am Rande von Nassau. Nur eine Taxiviertelstunde vom parfümierten Flair des Zentrums entfernt riecht es hier plötzlich nach Abenteuer. Schon um acht Uhr morgens grölen vom entgleisten Dasein gezeichnete Menschen herum und trinken Bier. Obdachlose löffeln sich das traditionelle Frühstück aus Graupen und Fisch in die zahnlosen Münder. Und ein Mann, der sich Mister Feelgood nennt, verkauft Kokain. Als ich ablehne, lächelt er dennoch kumpelhaft und hält mir seine Hand zum Abklatschen hin.

Zur Halbwelt passen die roststreifigen, zerbeulten, vor Verwegenheit berstenden Postboote an den Docks. Die Lady Rosalind und die Lady Frances, die Daybreak, die Captain Moxey. Wenn Schiffe wie Siebziger-Jahre-Rock-’n’-Roll sein können, dann diese hier. Black Sabbath oder Judas Priest hätten sich als Namen ebenso angeboten.

Auf einer Kreuzfahrt kann man im Prinzip sein Hirn beim Check-in abgeben und dann blind dem Programm folgen. Wer mit den Postbooten fahren will, käme so in Teufels Küche. Das wird schon während meines Besuchs beim Hafenmeister klar. In seinem Büro überreicht er mir einen Fahrplan – und braucht dann mehrere Minuten, um die Abweichungen zu erläutern. Die See sei rau, es komme zu Verspätungen. Am Schluss schmeißt er sich in seinen Drehstuhl und seufzt. Am besten frage man sich durch. Mit der Liste in der Hand und verschiedenen Wunschzielen im Kopf mache ich mich auf den Weg. Doch die verzeichneten Schiffe fahren zu spät. Oder in anderer Reihenfolge. Oder sie sind gar nicht da.

„Nach Harbour Island? Du hast Glück“, sagt irgendwann Junior Pinder. Salzwindgegerbte Haut, Nussknackerkinn, buschige Koteletten – der Kapitän der Eleuthera Express ist das Gegenteil einer Micky Maus. Seine Hand fühlt sich derb an wie ein Autoreifen, als er mich begrüßt. „Wir sind spät dran, aber gleich geht’s los.“ Die Fahrt nach Harbour Island an der Nordspitze der Insel Eleuthera im Osten Nassaus dauert sechs Stunden und kostet weniger als 30 Dollar. Der Schiffskran lädt gerade Rohre, Babywindeln, Bier und Zementsäcke auf den grünen Pott, der 1962 in Wilhelmshaven gebaut wurde. Kurz darauf beginnen die Dieselmotoren zu pochen, und wir pflügen aus dem Hafen. Der Himmel ist mörtelgrau, der Wind spuckt Regen. Dann wird das Meer flacher und leuchtet darum in einem so delikaten Türkis, dass man es aus Sektkelchen trinken möchte.

Während Junior das Schiff durch einen Irrgarten aus Sandbänken steuert, erzählt er von den Postbooten. Sie sind alle in Privatbesitz und haben einen Vertrag mit der Regierung, der feste Zahlungen garantiert. „Aber der ist seit 20 Jahren derselbe, während die Kosten ständig steigen. Außerdem machen uns jetzt die Fähren Konkurrenz. Seit Kurzem dürfen die auch Pakete mitnehmen“, sagt Junior und kippt sich den letzten Schluck Kaffee in den Rachen. Dann legt er auf der Insel Spanish Wells an, wo die Eleuthera Express eine Stunde hält.

Tatsächlich ist es hier ganz anders als in Nassau. Aber sind das die wahren Bahamas? Während 85 Prozent der Bahamaer schwarze Hautfarbe haben, leben hier fast nur Weiße. Das Hummergeschäft hat die Nachfahren von Puritanern zur reichsten Gemeinde des Landes gemacht. Jetzt rücken sie mit Golfkarren an und binden sich die Weihnachtsbäume aufs Dach, die gerade von Bord geworfen werden. Dann sind sie so schnell verschwunden, als hätten sie sich Tarnkappen aufgesetzt. Bei einem Spaziergang kommt mir der Gedanke, ich könnte eine Evakuierung verpasst haben. Man sieht nur säulenbewehrte Holzpaläste, Lagerhallen für Langusten und Satellitenschüsseln, die groß genug scheinen, um mit dem Mars Kontakt aufzunehmen. Mit der Bevölkerung aber gelingt mir das nicht. Gut, dass bald das Horn zur Weiterfahrt tutet.

„Harbour Island – Home of friendly People“ begrüßt mich ein Schild an der Mole von Dunmore Town. Und es ist kein Witz: Hier wird gelächelt, was die Mundwinkel hergeben. Sogar die Holzhäuser scheinen bester Dinge zu sein. Ihre Anstriche in Marzipanrosa und Pistaziengrün, Ananasgelb und Curaçaoblau lassen an eine Kinderparty denken. Abends aber steht Hitler vor mir. So nennen sie den Besitzer des Vic-Hum-Clubs, eines Rough-and-ready-Rockschuppens mit amtlich klebriger Theke. Die Wände zieren zerfledderte Plattencover, aus den Boxen wummern alte Funkadelic-Songs. Nassaus Kulissentourismus ist jetzt weit weg. Aber warum denn Hitler, in Gottes Namen? „Na, ich gelte eben als energisch“, grinst der Mann. Dann haut er die nächste Bierpulle auf den Tresen. „Hier, mein Freund. Geht auf mich.“

Nach Mitternacht leert sich der Laden wie auf ein geheimes Zeichen. Bald darauf finde ich mich auf der Uferstraße wieder – und mitten in Afrika. Trommeln dröhnen, Posaunen schreien, schwarze Frauen tanzen eine stampfende Choreografie. Die melodischen Motive sind immer gleich und wirken wie Schamanenzauber. Junkanoo heißt das bahamaische Spektakel schlechthin, das Ende des Jahres in Straßenparaden seinen Höhepunkt erreicht. Und für den wird hier trainiert. Die Sklaven führten den Junkanoo ein, als sie mit den Loyalisten auf die Insel kamen. Die flohen als Getreue des englischen Königs im späten 18. Jahrhundert vor der siegreichen amerikanischen Revolution auf die Bahamas, scheiterten aber bald am kargen Boden und verschwanden. Geblieben sind ihre bunten Häuser im Neuengland-Stil. Und die Abkömmlinge ihrer Sklaven.

Die wahren Bahamas

Der Nachteil des Reisens mit den Postschiffen ist, dass zurück nach Nassau muss, wer eine andere Inselgruppe anfahren will – die Hauptstadt ist die Drehscheibe frischer Waren. Eine der Fähren, die Junior das Leben schwer machen, bringt mich in der halben Zeit zurück. Im Chaos von Potter’s Cay entscheide ich mich für die Grand Master, in deren Schiffsbauch gerade ein Sofa verschwindet. Sie fährt 320 Kilometer in Richtung Süden nach Georgetown auf Great Exuma. Läuft ja prima, denke ich. Und spüre doch ein Ziehen im Magen: Der Wind ist so heftig, dass ich nur Kardiogramme in mein Notizbuch kritzeln kann – und das, obwohl wir noch im Hafen liegen. Die Böen werden die Fahrtzeit von 12 auf 17 Stunden hochschrauben.

„Wenn ich das schaffe, schaffst du das auch“, sagt Kapitän Lance Brozogzog, rollt einen Zahnstocher vom linken in den rechten Mundwinkel und haut mir zur Begrüßung auf den Oberarm. So viel Seebärenjovialität lässt gleich ein kindisches Vertrauen in mir aufflammen. Selbst die Rostlöcher von Lances Seelenverkäufer will ich jetzt als Ausweis besonderer Sturmerprobtheit sehen. Wie bei den meisten Postschiffen ist auch das Geschäft der Grand Master fest in Familienhand: Lance hat das Schiff von seinem Vater geerbt. Viele Kunden sind dem Frachter schon seit Langem verbunden. Etwa die litfasssäulendicke Leona, die in einem Hotel in Nassau arbeitet, regelmäßig mit Lance nach Hause fährt und Wildfremde nach bahamaischer Art honey und darling nennt. Darum glaubt der 44-Jährige mit dem Charles-Bukowski-Gesicht auch nicht, dass die Postschifftradition aussterben wird: „Das hier ist viel mehr, als nur von einem Ort zum anderen zu kommen. Das ist ein Stück unserer Kultur.“

Als Stunden später die Sonne purpurblutend untergeht, lenkt Lance das Schiff an unzähligen Inselchen vorbei, die sich flach wie Krokodilsrücken aus dem Wasser heben. Es sind die Exuma Cays, Sammelobjekte der Superreichen. Nicolas Cage und Johnny Depp haben hier Anwesen, David Copperfield und der Multimilliardär Aga Khan. Bald darauf scheint der Mond quecksilbrig übers Meer, und die Sterne funkeln so nah, als habe man sie mit einer Konfettikanone hinaufgeschossen. Ich sitze neben dem ölverschmierten Maschinisten in der Küche und bestaune sie durch die offene Tür. Und vergesse darüber, rechtzeitig in die enge, mit Kisten fast zugestellte Kabine zu kommen, in der eine von sechs Pritschen auf mich wartet. Nach Mitternacht wechselt die Grand Master nämlich von der flachen Karibik in den 1.000 Meter tiefen Atlantik. Sofort wird aus dem Schwanken eine Achterbahnfahrt: Meterhohe Wellen packen das Schiff und prügeln darauf ein. Nicht einmal auf allen vieren käme ich jetzt auch nur einen Meter weit. Ich bleibe am festgeschraubten Tisch und bette meinen Kopf auf ein kissengroßes Paket, das ich festhalten muss, damit es nicht herunterfällt. „Princess McKenzie, Georgetown, Great Exuma“ steht darauf. Ich rede mir ein, dass Princess mich nun beschützen wird. Und es klappt. Der Tisch fährt Karussell. Aber ich kotze nicht.

Ein paar Häuser, eine Kirche und ein Pier, an dem Fischer im Hexengelächter der Möwen Red Snapper ausnehmen – das ist Georgetown, der größte Ort auf Great Exuma. Die Grand Master versorgt ihn seit mehr als 30 Jahren. „Ein, zwei Tage vor ihrem Eintreffen gehen den Läden regelmäßig die Nägel aus, die Cornflakes oder das Waschpulver. Dann wartet alles nur noch auf Lance“, sagt Princess McKenzie, eine Schwarze mit rot gefärbten Haaren und wuchtigen Kreolen in den Ohren. Sie strahlt, als ich ihr das Paket persönlich gebe. Es enthält Stroh, aus dem sie Taschen flicht, die sie auf dem Markt verkauft.

Noch mehr interessiert mich ein Paket, dessen österreichische Banderole „feinstes Krepppapier“ deklariert. Wer braucht denn hier so was? Es ist Kenneth, ein Gebirge von Mann mit donnerndem Lachen. Aber wozu? „Komm mit, ich zeig’s dir“, sagt der schwarze Hüne, und ich steige in seinen Pick-up. Auf der Fahrt gleißen silbern geschuppte Tümpel in der Sonne. „Salzseen“, sagt Kenneth. „Aber Salz gewinnt man aus denen schon lange nicht mehr. Lohnte sich nicht. Genauso wenig wie die Baumwollplantagen in der Sklavenzeit bis 1838. Zu wenig Humus. Siehst du das da?“ Kenneth zeigt auf eine Ebene, die aussieht wie fast jedes Inselinnere der Bahamas: tellerflach und voller Gestrüpp. In der Mitte erkenne ich ein paar Steinruinen. „Das waren die Hütten der Nigger. So hießen wir damals.“ Dann lässt er wieder sein Lachen ertönen, das scheppert wie ein Haufen rostiger Schrott.

In seinem Haus verschwindet Kenneth – und kommt wieder, als wolle er zu einer Schwulenparade. Er steckt in einem Harnisch aus buntem Krepppapier und gefärbten Glassteinchen. „Mit Leim machen wir daraus unsere Junkanoo-Kostüme“, sagt er. Kenneth ist Anführer der Crusaders, einer Junkanoo-Truppe, die jene ekstatischen Paraden aufführt, von denen ich in Harbour Island bereits etwas mitbekommen hatte. „Alles kulminiert am 26. Dezember. Für die Sklaven war das früher der einzige freie Tag im Jahr. Beim großen Umzug tragen wir unsere Papierkostüme. Die kosten etwa 700 Dollar das Stück. Und am nächsten Tag schmeißen wir sie weg. Verrückt. Aber es gibt keine bessere Party.“

Als ich abends auf der Veranda der Dorfspelunke Bier trinke, biegt eine Stretchlimousine um die Ecke, die auf Georgetowns Sandwegen wie ein Ufo wirkt. Sie gehört zum Luxushotel Sandals Emerald Bay im Westen der Insel, einem Haus, um das sich inzwischen noch weitere Hotels gruppiert haben. Vielleicht wäre ich besser nach Long Island gefahren, denke ich. Da soll es noch ursprünglicher sein.

Am nächsten Morgen habe ich Glück. Die unentwegt paradierenden Schlechtwetterfronten zwangen die Island Link aus Nassau auf ihrer Tour nach Long Island zu einem Umweg. In Georgetown erwische ich sie noch. Das moderne Postschiff mit den Katamaran-Kufen ist schneller als die alten Kähne – aber auch langweiliger. Die Mannschaft trägt blaue Hemden und sacharinweiße Bermudas, den Kapitän in seiner Rauchglasbrücke bekommt man erst gar nicht zu Gesicht.

In Salt Pond gehe ich von Bord. Und staune. Die kommodengroßen Pakete, die zwei Männer für den Weitertransport an Bord werfen, werden fast vom Wind fortgetragen. Sind die leer? „Ach was. Das sind Badeschwämme, die über Nassau nach Florida gehen“, sagt Mike Constantakis. Er und sein Bruder Nicholas sehen aus wie Typen in einer Ouzo-Werbung – ihr Vater wanderte aus Griechenland ein. Die beiden Schwammexporteure nehmen mich mit in die Inselhauptstadt Deadman’s Cay, die auch nur aus ein paar Häusern besteht. Die säumen, wie in allen Siedlungen auf den Out Islands, eine zentrale Straße, die überall Queen’s Highway heißt – Elizabeth II ist immer noch Staatsoberhaupt der ehemaligen britischen Kronkolonie. Unterwegs machen wir halt bei Schwammtauchern. Ihre nackten Oberkörper glänzen in kompromisslosem Ebenholzschwarz, als sie merkwürdig schmierige Schwämme an einer langen Schnur in die schwimmbadblauen Wellen legen; sie haben sie einige Tage zuvor vom schlammigen Grund einer Bucht geholt. „Das Meer funktioniert wie eine Waschmaschine“ erklärt Mike. „Zwei Wochen dauert es, bis wir die fertigen, sauberen Badeschwämme für einen Dollar pro Stück kaufen.“ Als er merkt, dass ich immer wieder die Nase rümpfe, lacht er. „Dann stinken sie auch nicht mehr so faulig.“

Long Island ist 120 Kilometer lang, höchstens sechs Kilometer breit und gespickt mit schlichten Kirchen aller möglichen christlichen Konfessionen. Wie häufig auf den Out Islands explodieren auf der östlichen Seite lapislazuliblaue Atlantikwellen am zerklüfteten Kalkfelsensaum, während auf der westlichen das Meer so überirdisch türkis funkelt, als habe es dort einen Chemieunfall gegeben. Als ich anderntags mit dem Mietwagen gen Norden fahre, bleibe ich immer wieder stehen und schreite ins Wasser wie in einen Gottesdienst zur Huldigung der Farbe Blau.

Viel mehr gibt es hier auch nicht zu tun. Außer vielleicht bei Max vorbeizuschauen. In seiner von Nippes verbunteten Freiluftbar macht der Schlacks mit dem Clark-Gable-Bärtchen den besten Conch-Salat der Bahamas. Aber das behauptet jeder, der das Nationalgericht verkauft: eine rohe, ein wenig gummiartige Meeresschnecke, die klein geschnitten und mit Tomaten, Zwiebeln, Chili und Orangensaft vermengt wird. „Hast du Probleme? Dann sind die jetzt Geschichte. Conch hilft gegen alles“, sagt Max und zwinkert mir zu. Ich glaube ihm sofort. Die Musik ist discolaut, die Bierflaschen klirren, bei Max trifft sich die ganze Insel und redet interpunktionslos durcheinander. Bahamaer sind große Konversationsvirtuosen, das ist mir längst klar geworden.

Auf der Weiterfahrt in mein Hotel komme ich an einem Friedhof vorbei. Der Hügel eines frischen Grabs besteht aus löschblattrosa schimmerndem Sand. Die Inschrift seines Kreuzes geht mir lange nicht aus dem Kopf: God is and all is well. Das wirkt auf mich wie das Mantra des bahamaischen Lebensgefühls.

Als ich am letzten Tag zurück nach Nassau fliege, betrachte ich die Fotos auf dem Monitor meiner Kamera. Immer wieder leuchten blaue Buchten auf und aspirinweiße Strände. Vor allem aber die tiefenentspannten Gesichter von Junior und Lance, von Princess, Kenneth, Mike und Max. Lange überlege ich, ob das nun die wahren Bahamas waren. Dann sehe ich unter mir ein Kreuzfahrtschiff dem Rummel Nassaus zustreben und gebe mir selbst die Antwort. Sie lautet: Ja.