Señor, hier im Dunkeln wird Ihre Jacke sauber! - Textbüro Hanisch | Texter Köln | Autor und Journalist
17069
post-template-default,single,single-post,postid-17069,single-format-standard,bridge-core-2.5,ajax_fade,page_not_loaded,,qode-title-hidden,qode_grid_1200,qode-theme-ver-23.5,qode-theme-bridge,disabled_footer_bottom,wpb-js-composer js-comp-ver-6.4.1,vc_responsive

Señor, hier im Dunkeln wird Ihre Jacke sauber!

DIE ZEIT, Nr. 3/2015

Señor, hier im Dunkeln wird Ihre Jacke sauber!

 

Wolf Alexander Hanisch fängt sich in Chile einen folgenschweren Fleck ein.

Wenn Hunde von der Macht träumen, dann träumen sie wahrscheinlich von Valparaíso, diesem korallenbunten, über jähe Höhenzüge brandenden Wellblechhäusermeer an Chiles Pazifikküste. Hier regieren Köterschwadronen ein Labyrinth von Treppengängen und knurren jeden Fremden in die nächste Sackgasse. Bald war ich es leid, weiter über meine letzte Tetanusimpfung zu grübeln, und floh in die Unterstadt zur Mole.

Und wie herrlich war es da! Die Brise wehte mir den Angstschweiß aus den Kleidern, der Ozean erzählte murmelnd von seiner Weite. Hin und wieder segelte ein Trumm von einem Pelikan vorbei. Er hatte die Anmutung eines prall gefüllten Seesacks und stürzte sich immer wieder ins Wasser, als trainiere er für eine Arschbomben-Olympiade. Lustiger Kerl, dachte ich. An dem können sich die Hügelhunde ein Beispiel nehmen!

Ich hatte die Welt gerade wieder lieb gewonnen, da klatschte etwas von hinten links gegen meine Schulter. Es klang wie eine Schaufel Mayonnaise, die mit Schmackes gegen eine Wand geschippt wird. Ich wandte meinen Kopf – und erstarrte vor Ekel. Allmächtiger! Das war keine Mayonnaise. Das war Vogelscheiße! Weißlicher Schleim mit grün-braunen Sprenkeln glibberte auf meiner Jacke, und das in einer Menge, dass man damit ein halbes Waschbecken hätte füllen können! In welchem Vieh steckt so viel Grauen? Im Pelikan? Oder war es ein Kondor aus den nahen Anden, der sich an den Pazifik verirrt und vor Schreck Dünnschiss bekommen hatte? Der Himmel über mir verriet nichts. Er war blau und leer.

Das Gedankenkarussell drehte sich keine drei Sekunden, da klatschte es erneut hinter mir. Dort stand jetzt ein Herr in Anzug und Trenchcoat. Schimpfend legte er den Kopf in den Nacken und wischte sich dabei hektisch den Ärmel. Dann kam er auf mich zu und lamentierte so lautstark und inbrünstig, dass jedes orientalische Klageweib in ihm seinen Meister erkannt hätte. Gleich ging es mir ein wenig besser. Immerhin war der elegante Geschäftsmann ein Leidensgenosse und ich froh, nicht mehr der einzige wandelnde Vogelabort zu sein. Aber wie es schien, hatte es mich viel schlimmer getroffen als ihn. „Señor!“, rief er mir zu. „Ihre Jacke! Um Gottes willen! Der ganze Rücken! Kommen Sie, ja, gleich dort vorne, in dieser Pforte, es gibt Wasser!“

Einen Augenblick später fand ich mich im Halbdunkel eines Hauseingangs wieder, und alles ging daumenkinoschnell. Bevor ich fragen konnte, wo denn hier nun Wasser sei, bemerkte ich einen zweiten Mann, der mir plötzlich mit den routinierten Bewegungen eines Butlers aus der Jacke half. Ich spürte, dass jetzt etwas falsch lief, aber mein Kopf fühlte sich an wie chloroformiert, die Situation ähnelte der Schwebesekunde, in der man das Gleichgewicht verliert. Im selben Moment waren die beiden verschwunden wie auf das Fingerschnippen eines Magiers. Meine Jacke lag vor mir auf dem Boden. Ich starrte sie an mit dem Gefühl, die letzte Einstellung eines Films zu sehen, in der sich die ganze Handlung offenbart. Der so vornehme Herr war nichts als ein Schmierenkomödiant! Geld und Reisepass waren weg. Natürlich. Dann fiel mir auf, dass die Vogelscheiße eine Lache gebildet hatte. Sie roch nach Joghurt, Karamell und Shampoo. Und sah aus wie ein hämisch grinsendes Smiley.