B-Städte werden immer attraktiver
17791
post-template-default,single,single-post,postid-17791,single-format-standard,bridge-core-3.1.9,qode-page-transition-enabled,ajax_fade,page_not_loaded,,qode-title-hidden,qode_grid_1200,qode-theme-ver-30.6,qode-theme-bridge,disabled_footer_bottom,wpb-js-composer js-comp-ver-7.7.1,vc_responsive

B-Städte werden immer attraktiver

Rheinische Post, 2023

B-Städte werden immer attraktiver

Köln und Düsseldorf sind die Immobilien-Champions Nordrhein-Westfalens. Doch die sogenannten B-Städte machen ihnen Konkurrenz. Das gilt für Renditen und Nachfrage. Eine große Chance für Investoren.

Wäre Nordrhein-Westfalen ein eigener Staat – er befände sich dank seiner fast 18 Millionen Einwohner unter den Top Ten der Europäischen Union. Und auch innerhalb Deutschlands macht NRW viel her. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 794 Milliarden Euro im zurückliegenden Jahr ist es das wirtschaftsstärkste aller Bundesländer. Da es auch noch 29 der 76 deutschen Großstädte beherbergt, schlägt ein Trend auf dem Immobilienmarkt hier besonders hohe Wellen: die Renaissance der B-Städte.

Unter B-Städten versteht man Kommunen ab etwa 150.000 Einwohner. Sie liegen im Schatten der A-Kategorie aus den sieben größten deutschen Metropolen – in NRW sind das Köln und Düsseldorf. B-Städte befinden sich oft in der Nähe dieser Spitzengruppe, haben nationale Strahlkraft und verfügen über die großen Arbeitgeber ihrer Region, Büroflächenbestände zwischen anderthalb und fünf Millionen Quadratmeter, kontinuierliche Büroflächenumsätze von mehr als 35.000 Quadratmeter, wirtschaftliches Wachstum, intakte Märkte und ein attraktives kulturelles Angebot. In Nordrhein-Westfalen erfüllen diese Kriterien Dortmund, Essen, Duisburg, Bonn, Münster und Bochum. Eine Stadt wie Wuppertal gehört trotz ihrer 350.000 Einwohner nicht dazu: Ihre Bedeutung ist lediglich regionaler Natur.

Auch wenn die Preise für die „Top 7“ durch die Zinswende und andere Faktoren unter Druck geraten sind: A-Lagen sind für viele immer noch schier unbezahlbar. „Die Kombination aus hohen Energie- und damit Nebenkosten sowie deutlich höheren Finanzierungsaufwendungen erhöht die Gesamtbelastung für Wohnungskäufer signifikant. Da die Kaufkraft nicht in ähnlichem Maß gestiegen ist, ist die Erschwinglichkeit von Wohneigentum entsprechend zurückgegangen“, erklärt Immobilienexperte Marc Sahling, Geschäftsführer bei Lübke Kelber.

Mit rund 5700 Euro pro Quadratmeter in Köln und circa 5500 Euro in Düsseldorf sind Eigentumswohnungen in den beiden Top-Metropolen Nordrhein-Westfalens durchschnittlich doppelt so teuer wie im Rest des Bundeslandes. Kein Wunder eigentlich, dass die B-Städte zwischen Minden und Monschau seit Monaten enorm aufholen und hinsichtlich der Mietrenditen – sie ergeben sich aus dem Quadratmeterkaufpreis und dem erzielbaren Mietzins – ein neues Bild zeichnen. „Gerade im Ruhrgebiet oder im direkten Umfeld von Köln und Düsseldorf verfügen größere Städte ab 200.000 Einwohnern noch über ein großes Entwicklungspotenzial: Sanierungsbedürftige Wohngebiete und Stadtteile, große Infrastrukturprojekte oder vergleichsweise niedrige Mieten sind an diesen Standorten zu beobachten“, sagt Hendrik Richter, Geschäftsführer der Plattform ohne-makler.net.

Die Hauptursache für die starken Mietrenditen in B-Städten sieht Richter in den aktuellen Wanderungsbewegungen, die sich aus gleich drei Richtungen vollzögen: „Zum einen ist da die Überteuerung der Top 7-Städte auf der Basis enormer Miet- und Nebenkosten, die zunehmend auch gut Situierte aus A-Lagen vertreiben. Zum anderen verschärft der anhaltende Zuzug von Kriegsflüchtlingen die prekäre Situation. Und schließlich fahren derzeit viele Arbeitgeber ihre Home-Office-Praxis aus der Pandemiezeit zurück, ordern ihre Mitarbeiter aus dezentralen oder ländlichen Gegenden zurück ins Büro. B-Städte sind dann für die Betroffenen so erschwinglich wie funktional.“

Haben die B-Städte Nordrhein-Westfalens also die Qualität echter Goldgruben für Investoren, wie Hendrik Richter sagt? Ein Blick auf die Durchschnittsrenditen, die ohne-makler.net aus seinen 20.000 im vergangenen Jahr angebotenen Objekten errechnete, scheint dies zu bestätigen. Duisburg beispielsweise kommt im vierten Quartal 2022 auf eine Mietrendite von 4,66 und Essen von 4,3 Prozent. Selbst Bielefeld mit eher regionaler Ausstrahlung überzeugt durch beträchtliche 4,3 Prozent.

Laut Baufi 24 ist auch der Spitzenreiter unter den 50 größten deutschen Städten ein Nordrhein-Westfale: Der unabhängige Immobilienvermittler weist für die Ruhrmetropole Gelsenkirchen im zweiter Halbjahr 2022 einen Anstieg von 0,27 auf 4,8 Prozent aus. Zum Vergleich: Das sündteure München hat in den Top 7 die niedrigste Mietrendite von 2,5 Prozent. Fest steht: Wer als Immobilieninvestor auf die einst so stiefmütterlich behandelte zweite Reihe setzt, darf mit Erträgen von vier Prozent und mehr rechnen. Da die Investitionskosten relativ überschaubar und die Ausgaben für Sanierungsarbeiten im Vergleich zu den überhitzten Metropolen geringer sind, fällt die Wertsteigerung solcher Objekte leichter.

Alles ganz einfach also? Das nun auch wieder nicht. Entscheidend für ein erfolgreiches Investment ist das Entwicklungspotenzial einer B-Stadt. Dafür gibt es auch in Nordrhein-Westfalen mehrere Indizien. Ein positiver Wanderungssaldo gehört dazu, eine verhältnismäßig junge Bevölkerung und die Nähe zu den Hochburgen Köln und Düsseldorf oder zu ausgesuchten Städten des Ruhrgebiets. Dass auch Grünflächen, eine gute Infrastruktur, ein rascher Zugang zu Dienstleistungen und ein hoher Freizeitwert für eine Investition wichtig sind, versteht sich von selbst.

Was die Gesamtlage der zweiten Garde derzeit so spannend macht, ist die Tatsache, dass ihre Anziehungskraft noch ziemlich neu ist und ihre Wachstumschancen gerade erst entdeckt werden. Der Hintergrund: Immobilienmärkte reagieren sehr langsam auf neue Entwicklungen und entfalten ihre volle Wirkung erst relativ spät. Statt dem unlängst noch so häufig beschworenen Platzen einer Immobilienblase scheint den B-Städten in NRW deswegen eher eine langfristige Dynamik beschieden zu sein.

Hendrik Richter von ohne-makler.net hält vor dem Hintergrund der Baukrise, den steigenden Zinsen und der Zuwanderung sogar ein Szenario für möglich, dem Investitionswillige zuvorkommen sollten: Die Nachfrage könnte sich auch in B-Lagen so weit aufheizen, dass dort die Kaufpreise überproportional anziehen und die Bruttomietrenditen sinken. Aber das ist Spekulation.